Erlebtes und Geschautes

Texte, Gedichte und Impulse über Begegnungen mit dem Leben
Systemisches in Paargschichten mit dem Hang zum Perpektivwechsel

27.08.2023

Kostbare Momente in der Vergänglichkeit

Meer Himmel.jpg” Das Bewusstsein der Vergänglichkeit macht uns klar, dass wir jeden kostbaren Moment nutzen müssen.”
Dalai Lama

Manchmal ich…manchmal  wir…oder wieder ich

Ich stehe am Meer am Rand des sanften Wellenbruchs. Die warmen Sandkörner streicheln meine Zehen. Das Meer kommt und geht, nur für mich. Die Sonne geht auf und sie geht unter, sie dreht sich nur für mich. Ich bin so sicher. Ich bin der Mittelpunkt alles Lebens und alle Wahrnehmung dreht sich um mich. Das fühlt sich richtig an und ist so gut. Der Dalai Lama spricht vom Bewusstsein der Vergänglichkeit. Das Leben ist für mich schön und leicht und die Vergänglichkeit betrifft mich doch gar nicht; mit mir als Zentralgestirn, ich bin gut und sicher, nichts wird sich ändern… Neben mir steht ein Pferd. Ich mag keine Pferde, wenn es doch eine kleine Katze wäre. Es ist ein Pferd. Ich schaue einfach nicht hin, dann ist es nicht da. Und: eines Morgens werden wir wach und dann merken wir, nichts hat sich verändert, und… alles ist anders!

Ich stehe am Meer am Rand des Wassers. Die Sandkörner kratzen nun. Neben mir das Pferd. Habe ich schon erwähnt, ich mag keine Pferde. In diesem Moment sehe ich es: das ist ein  trojanisches Pferd; mein Trojaner, mein Hiob. Ich will nicht sehen und vor allem nicht wissen. Es war doch alles so gut; so schön leicht. Da denke ich wieder an den Dalai Lama. Es ist doch was Lehrendes  an seiner Aussage zum Bewusstsein der Vergänglichkeit, das uns klar machen kann, jeden kostbaren Moment zu nutzen. Jedoch kann mir niemand die Frage beantworten, woran wir einen kostbaren Moment erkennen. Für mich gibt es doch keine kostbaren Momente mehr und ich sehe das Licht nicht mehrt. Wir erträumen uns ein Leben, und dann kommt der nicht endende Augenblick und alle Träume und Ziele sind zertreten und vergangen.

                          …auf einmal merkst du äußerlich:
                          Wieviel Kummer zu dir kam

                       Wieviel Freundschaft leise von dir wich,

                      Alles Leben von dir nahm.

                            Fragst verwundert in die Tage

                            Doch die Tage hallen leer.

                            …sinnlos, arm erscheint das Leben dir,

                            … Und auf einmal—: Steht es neben dir,

                            An dich angelehnt—Was?

                            Das, was du so lange schon ersehnt.

                                                        ( nach Ringelnatz)

Eigentlich will ich nicht wissen und ich will nicht sehen. Ich will die Sorglosigkeit und die Leichtigkeit von vorher. Wo ist sie? Wo ist mein leichtes Leben. Die Erde dreht sich um die Sonne und die Sonne bewegt sich gar nicht; sie dreht sich nicht für mich. Und das Meer kommt und geht und kommt zurück; nicht für mich.

Viel Zeit wird vergehen und mühevolle persönliche Entwicklung wird uns abverlangt, bis wir akzeptieren und spüren, das  alles, unser Leben, unser Glück und unser Unglück vergänglich ist und wir sehen uns aufgefordert, unsere Vergänglichkeit zu erkennen und zu akzeptieren. Bevor wir wieder eine gelassene Haltung erlangen können, müssen wir unserer eigenen Wut und unserer eigenen Geschichte vergeben. Die Gelassenheit und die Erkenntnis der Vergänglichkeit führt uns zu einem neuen Glück, reifer und achtsamer im Umgang mit uns und unseren Mitmenschen. Wir werden nur einen Wimpernschlag der Erdgeschichte hier sein. Wir sind so vergänglich, und vielleicht entstammt gerade daraus unser unbändiger Kampf mit uns und den Anderen. Jedoch ist dieser Kampf nutzlos. Wir nehmen in jeder Sekunde des Lebens Abschied; Abschied von der Leichtigkeit, der Jugend, der Gesundheit und des inneren Kampfes.
Vor allem brauchen die Erde und die Natur uns Menschen nicht. Sie kann warten, bis wir uns selber ausgelöscht haben werden.  Wenn wir weiterhin unsere Wut, die wir in uns tragen, an uns und unserer Natur auslassen, werden wir niemals zu einem friedlichen Leben gelangen. Nicht zu unserem eigenen, noch zum Frieden der wütenden Menschheit. Wir sind auf dem besten Weg, uns auszulöschen.

Jeder Moment eines achtsamen Umgangs und der Akzeptanz anderer Menschen und deren Lebenskonzepte sind wertvolle Momente, die wahrhaftig sein können. Es ist egal, welche Sprache wir sprechen, welche Hautfarbe wir haben, oder welchen kulturellen Werte wir leben. Es wird uns  immer  eine Bereicherung sein. Jeder Moment des gegenseitigen Verstehens ist unendlich wertvoll.

Es liegt in unserer Hand, in unserer Entscheidung, wie wir die Vergangenheit beurteilen und welche Schlüsse wir für unsere Zukunft daraus ziehen. Wieder denke ich an den Spruch des Dalai Lama: Das Bewusstsein der Vergänglichkeit macht uns klar, dass wir jeden kostbaren Moment nutzen müssen. Nun, nach einem so langen, mühsamen Weg fange ich an, ihn zu verstehen. Obwohl ich mich immer noch frage, wie ich kostbare Momente erkenne, ohne dann doch später schmerzlich zu fühlen, dass ich gerade diese verpasst habe.

Ich stehe am Meer, es ist ruhig und erholsam. Das Pferd neben mir wird bleiben und das ist gut so. Wir reden miteinander, ich und mein trojanisches Pferd. Ich lerne und verändere mich stetig und sehe manchmal kleine kostbare Momente, für die ich dankbar bin und die es wert sind genutzt zu werden. Das fühlt sich richtig…. und leicht an.
#kostbareMomente

Quelle: Elke Di Donato
aus: Vorgedacht und Nachgedacht,Eine Anthologie, Aphorismen und was sie bedeuten
Herausgegeben von Hans-Georg Schröder

Admin - 04:42 @ Impulse


Über mich
Sozialpädagogin
Systemische Beraterin und Systemische Kinder-und Jugendtherapeutin

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